Sylvia Stuhlhofer | ebenso Beitrag auf Fih-austria

Eltern haben einen Plan bzw. eine gewisse Vorstellung von ihrem ungeborenen Kind. Dieser Plan kann durch eine Behinderung durchkreuzt werden. Der folgende Text beschreibt die Gefühlswelt der Eltern nach einer Diagnose.

Willkommen in Holland 

von Emily Perl Kingsley

Wenn man ein Baby erwartet, ist es so, als ob man eine Urlaubsreise nach Italien plant. Ihr seid sehr aufgeregt. Ihr deckt euch mit einem Stapel Reiseliteratur ein, lernt einige nützliche Redewendungen auf italienisch und dann ist es soweit, die Koffer sind zu packen, und ihr fährt zum Flughafen – nach Italien.

Doch als das Flugzeug gelandet ist, sagt die Stewardess: “ Willkommen in Holland.” Ihr schaut einander ungläubig und entsetzt an und sagt:” Holland? Habe ich richtig gehört, Holland? Ich habe Italien gebucht!” Aber sie erklären euch, dass es eine Flugplanänderung gegeben hat, und dass ihr in Holland gelandet seid und dort nun bleiben müsst. Ihr sagt: “Aber wir wissen überhaupt nichts über Holland! Wir möchten hier nicht bleiben!” Und doch bleibt ihr. Ihr geht also wieder los und kauft euch einige neue Reiseführer, ihr lernt neue Redewendungen und ihr trefft Menschen, von denen ihr gar nicht gewusst habt, dass es sie gibt. Der wichtige Punkt ist, dass ihr nicht in einer schmutzigen, abscheulichen Gegend seid, wo Pest, Hunger und Krankheiten herrschen. Ihr seid einfach nur in einer anderen Gegend als ihr geplant habt. Es geht hier langsamer zu als in Italien, weniger spritzig als in Italien, aber nachdem ihr dort eine Weile gelebt habt und wieder Luft holen konntet, entdeckt ihr allmählich, dass Holland Windmühlen hat. Holland hat Tulpen, Holland hat Rembrandts. Aber alle anderen, die ihr kennt, kommen von oder fahren nach Italien. Alle schwärmen von der herrlichen Zeit, die sie dort verbracht haben und bis zum Ende eures Lebens werdet ihr immer sagen:” Ja, da wollte ich eigentlich auch hingefahren sein.”

Der Schmerz wird niemals aufhören. Ihr müsst diesen Schmerz akzeptieren, den der Verlust von diesem Traum, der Verlust von diesem Plan ist ein sehr bedeutender Verlust. Aber wenn ihr ein Leben lang der Tatsache, nicht nach Italien gekommen zu sein, nachtrauert, dann werdet ihr nie die Freiheit finden, die wirklich besonderen und schönen Dinge in Holland zu genießen.

(Hintermair, 2002, S. 14,15)